Ludwig Pfau                               Klage

1821 -  1894

Was ist das Leben doch so arm und nichtig!

Du bleibst dir selbst ein unerforschter Bronnen,

Wie tief du sinnst, und bist, hast du gesonnen,

Froh, geht nur deines Leibes Uhrwerk richtig.

 

Und was dir erst so wertvoll schien und wichtig,

Wird klein und schaal, sobald du es gewonnen;

So schläft das Leid im Kerne deiner Wonnen,

Und Müh’ legt sich um mühe tausendschichtig.

 

Wer leben will, muß kämpfen und muß streben;

So strebst du stets und sehnst dich stets nach Ruhe,

Und lebst und webst – dein letztes Hemd zu weben.

 

Durchlaufen hast du endlich deine Schuhe,

Und mit den Schuhen auch dein bißchen Leben –

Dann wird zum Lohn dir eine schwarze Truhe.

 

 

 

 

Ludwig Pfau                               Antwort

1821 -  1894

Das Leben ist ein unerschöpfter Bronnen,
Ein Tor nur kann es schelten arm und nichtig;
Stets bleibt es reich und wird aufs neue wichtig,
So viel du auch geschöpft hast und gewonnen.

 

Hast du dir nur ein ernstes Ziel ersonnen
Und strebst mit Mut ihm zu, getreu und richtig,
Häuft sich dir Füll' auf Fülle tausendschichtig,
Stets neu entfacht im goldnen Strahl der Sonnen.

 

Im wahren Wirken ist die wahre Ruhe;
Sanft wirst du so von Stuf' zu Stufe schweben,
An deinen Füßen leichte Götterschuhe.

 

Das ew'ge Kleid des Geistes hilfst du weben;
Die Fäden bleiben, birgt auch dich die Truhe -
Und ewig wirst du in dem Ganzen leben.

 

 

 

 

Ludwig Pfau                               Der Gärtner als Dichter

1821 -  1994

Des Gärtners Kunst, sie werd' ich immer hegen,
In jedem meiner Lieder wird sie laut;
Statt flücht'ger Blüten nur, im Topf gebaut,
pflanz' ich der Dichtung Flor an euren Wegen.

 

Und statt den Strauß zu pflücken einer Braut,
Bind' ich zu Strophen meinen Blumensegen,
Mit holder Tröstung eures Wehs zu pflegen -
Für dieses trug mein Garten doch kein Kraut.

 

Laßt mich und nehmet freundlich meine Gaben!
Der Spaten ging mir in der Hand zu Stücken,
So will. ich fortan grübeln statt zu graben.

 

Wollt ihr mein Haupt mit keinem Kranze drücken,
Werd' ich im Garten so viel Blumen haben,
Als ihr bedürft, den Hügel mir zu schmücken.

 

 

 

 

 

Ludwig Pfau                               Gewitterluft

1821 -  1894

Ein schwerer Bann, wer kann es sich verschweigen?
Hält alles Leben jetzt in dumpfer Haft;
Es trauert selbst der Jugend frische Kraft,
Wie eine welke Blume mit den Zweigen.

 

Verstummt sind fast die Flöten und die Geigen,
Es hat die Schwüle jeden Hauch erschlafft;
Und wie des Lebens Räderwerk auch schafft,
Nur scheu noch tanzt die Luft den alten Reigen.

 

Der Geist des Volkes ist hinabgestiegen
In seine eignen Tiefen, sinnt und baut;
Drum liegt Gewitterluft auf allen Gründen.

 

Denn durch die Lüfte wird als Wetter fliegen,
Was jetzt noch in der Tiefe gärt und braut;
Und nicht nur donnern wird es, nein, auch zünden!

 

 

 

 

 

Ludwig Pfau                               Hölderlin

1821 -  1894

,,Zu euch, ihr Inseln!
bringt mich vielleicht, zu euch,
Mein Schutzgott einst -"
Hölderlin

 

Ja, treulich hat der Schutzgott dein gedacht,
Du Griechenseele in des Nordens Banden!
Du ringender Pilot nach sel'gen Landen!
Zertretner Kämpfer in des Lebens Schlacht!

 

Mit leiser Hand hat er dich losgemacht
Aus Schmerzen, die wie Schlangen dich umwanden;
Als alle Tage dich in Tränen fanden,
Gab er dich hin der stillen Tröstrin Nacht.

 

So hat dein Gott die Wogen dir geglättet,
Zu deiner Inseln Dichterparadies
Dich, sanft gebracht, in tiefen Schlaf gebettet.

 

So hat er dich, den selbst die Hoffnung ließ,
Dem göttlichen Odysseus gleich gerettet,
Der träumend an der Heimat Ufer stieß.

 

 

 

 

 

Ludwig Pfau                               Beten

1821 -  1894

Wohl manch Gebet klopft an des Himmels Pforte,

Das keinen Einlaß kann am Tor bekommen,

Weil allen Erdenwust es mitgenommen,

Um zu erscheinen vor dem höchsten Horte.

 

Wohl ist schon oft an einem stillen Orte

In einer Seele wie ein Blitz entglommen

Ein Lichtgedanke, heiliger als der Frommen

Gebete und der Priester heilige Worte.

 

Der Andacht Werk ist keine Sklavensitte,

Es holt nicht erst, es trägt in sich den Segen

Und sagt sich los von jeder feigen Bitte.

 

Das Beten ist der Seele Flügelregen,

Die frei zum Äther steigt aus dumpfer Mitte,

Der ewigen Schönheit sich ans Herz zu legen.

 

 

 

Ludwig Pfau                                Höchstes Gebet

1821 -  1894

Wie lieblich ist’s! wenn strebende Gedanken

Wie Frühlingsweihrauch aus der Seele steigen,

Wie rege Blumen, welche mit den Zweigen

Lichtdurstig in des Himmels Klarheit ranken.

 

Wie traurig ist’s! wenn Gier und Wahn sich zanken,

So daß der Wahrheit reine Lippen schweigen;

Wenn all die Triebe, all die niedern, feigen,

Im Staub der Erde lichtverdrossen schwanken.

 

Ein solcher Busen ist ein schlimmer Garten,

Auf den der Weltgeist seinen Segen gießet,

Und der nur Dornen trägt in allen Beeten.

 

Wie lange soll der treue Gärtner warten,

Bis aus dem Grund ein armes Blümlein sprießet?

Das freie Denken ist das höchste Beten.

 

 

 

 

 

 

 

Ludwig Pfau                               Die Gegenwart

1821 -  1894

Der Wandler sinnt, wohin den Schritt er richte,

Das Herz verstummt, weiß nicht, wofür es schlage:

Kein Jubel bebt in ihm und keine Klage,

Sein Glauben und sein Hoffen ward zunichte.

 

Wo eine Heimat sich die Sehnsucht dichte,

Auf jeder Lippe steht die stille Frage,

In jedem aug der Durst nach einem Tage,

Der diese Nacht mit seiner Klarheit lichte.

 

So brütet Schwüle auf des Lebens Wogen,

Wenn eine alte Zeit hinabgegangen,

Und noch die neue nicht heraufgezogen.

 

Wann wirst du schwinden, ahnungsschweres Bangen?

Man sieht ja längst am dunkeln Himmelsbogen

Der neuen Sonne erste Strahlen prangen!

 

 

 

 

Ludwig Pfau                               Poesie und Leben

1821 -  1894

O Poesie, du heimatlose, arme!

Wie senkst du trüb dein blaues Auge nieder!

Umsonst hebst du dein schimmerndes Gefieder

Nach einem Port aus diesem Drang und Harme.

 

Wo du auch pilgerst, in dem gierigen Schwarme

Der Trachtenden gedeihn jetzt keine Lieder:

Drum nach vergangnen Zeiten, fromm und bieder,

Streckst du oft sehnend deine weißen Arme.

 

Du irrst umher und kehrst aus fernen Zonen,

Wie ein verwaistes Kind zum Elternhause,

Das liebelose Fremde jetzt bewohnen.

 

Man beut dir keinen Platz zum Abendschmause,

Kein Blick mag deiner treuen Liebe lohnen,

Und nirgens winkt dir eine stille Klause.

 

 

 

 

Ludwig Pfau                               Poesie und Tod

1821 -  1894

Da kein Asyl das Leben dir will zeigen,

Was bleibt dir, als des Todes Hand zu fassen

Und so im Herzen nieder dich zu lassen,

Das dir zu kurzem Wohnen ward zu eigen.

 

Da tanzt du nun den wilden Sehnsuchtsreigen,

Des Lebens Schätze jubelnd zu verprassen,

Bis auf die Züge, auf die todesblassen,

Du dich verklärend kannst als Engel neigen.

 

Drum weh! dem Herzen, das dich jetzt muß tragen:

Es schwankt und treibt in Kämpfen und in Schmerzen,

Ein übervolles Schiff das Stürme jagen –

 

Bis das die letzte Welle mit dem Herzen

Sich am Gestad der Ewigkeit zerschlagen;

Dann wachst du sinnend bei den Totenkerzen.

 

 

 

 

Ludwig Pfau                               Orakel

1821 -  1894

In tiefer Nacht ging ich mit Liebesbangen

Zum teuern Hause, neuen Mut zu trinken;

Ich sprach zu mir: Wenn dort noch Lichter winken,

Dann soll dein Wunsch sein holdes Ziel erlangen.

 

Kein Schimmer mehr! – wie blaßten mir die Wangen!

Da sah ich einen Stern vom Himmel sinken,

Der auf das Haus herniederfuhr mit Blinken –

Und weit war mir der Himmel aufgegangen.

 

Ich sprach zum Lieb: Nie hat ein Stern gelogen;

Wie preis’ ich dieses himmlische Orakel!

Schon seh’ ich durch die Wolken heitre Ferne.

 

Doch sie sprach neckend: Freund, du bist betrogen!

Das war kein Strahl der ird’schen Hochzeitsfackel –

Sieh, unsrer Liebe leuchten nur die Sterne.

 

 

 

 

 

 

 

Ludwig Pfau                               Frühe Liebe

1821 -  1894

Beklag es nicht, mein Lieb, daß wir mit Beben

Der goldnen Jugend süße Frucht genossen,

Daß tausend Thränen kamen nachgeflossen

Für einen Strahl, den uns das Glück gegeben.

 

Der thränenfeuchte Boden macht es eben,

Daß unsre Liebe herrlich aufgeschossen,

Gleich einer Palme, breitend ihre Sprossen,

Wie Segensarme, übers ganze Leben.

 

Willkommen denn, ihr wirkungsreichen Schmerzen!

Ihr habt der Liebe diese Kraft verliehen

Des stolzen Wachstums, das die Welt besieget –

 

Bis sie das Haupt so hoch im Himmel wieget,

Daß unter ihr die dunkeln Wetter ziehen,

Und über ihr die heitern Lüfte scherzen.

 

 

 

 

 

 

 

Ludwig Pfau                               Späte Liebe

1821 -  1894

O fühltest du, wie Hoffen neu und Streben

Mein Herz beseligt bis zum tiefsten Grunde,

Wenn mir ein Kuß von deinem lieben Munde

Ein Glück beschert, so schön wie keins im Leben;

 

O fühltest du, wie mir die Pulse beben

Und neu sich öffnet meine Liebeswunde,

Wehrst grausam du der Lippen süßem Bunde –

Gewiß, du währest nicht so karg im Geben.

 

Ja fühltest du dies sehnsuchtsvolle Bangen,

O Herrin meines Wehs und meiner Wonne,

Dich selbst ergreif, zu lindern, ein Verlangen;

 

Du neigtest dich zu mir in holder Güte,

Wie über den beraubten Zweig die Sonne

Sich neigt, daß neu entspringe Blüt’ um Blüte.

 

 

 

 

 

 

Ludwig Pfau                               Einem schönen Weibe

1821 -  1894

Sind denn die Blumen nicht gemacht zu düften?

Sind denn die Früchte nicht gemacht zu laben?

Und du willst bergen holder Schöpfung Gaben,

Die mächtig drängen aus den seidnen Grüften?

 

Wie zärtlich schwellen diese runden Hüften!

Das Zwillingspaar – viel süßer als zwei Waben,

Die reinen Honigs goldne Fülle haben –

Wie quillt’s empor und will den Schleier lüften!

 

Sind denn zum Fühlen nicht gemacht die Sinne?

So laß mich huld’gen diesem Götterleibe

Und reiche mir den Kelch der edlen Minne.

 

Ja! gleiche der Natur, dem größten Weibe:

Die weiß es, daß sie gebend nur gewinne

Und ewig schön nur im Gewährten bleibe.

 

 

 

 

Ludwig Pfau                               Proserpina

1821 -  1894

Proserpina, hinweggeführt vom Gatten

Aus Lenz und Licht zur Unterwelt, zur dunkeln,

Auf ihrem Thron, umgeben von Homunkeln,

Sehnt sich zurück zu den besonnten Matten.

 

Da will ihr Zeus von Frist zu Frist gestatten,

Emporzusteigen, wo die Goldranunkeln,

Die Purpurrosen aus dem Grünen funkeln,

Daß sie genese von dem Reich der Schatten.

 

Nun wandelt sie getrost durch Nacht und Schweigen;

Abwechselnd zwischen Freude und Entsagen,

Weiß sie mit Huld ihr Doppellos zu tragen –

 

Willst nicht auch du aus deinem Orkus steigen?

Ich bin kein Zeus, doch weiß ich deinem Leben

Von Frist zu Frist die Sonne heimzugeben.

 

 

 

Ludwig Pfau                               Der sterbende Dichter

1821 -  1894

Die Glocke bebt und spricht mit lautem Dröhnen,

Wird sie gerührt von Freuden oder Klagen;

So klang auch meine Brust, an die geschlagen

Des Lebens Hammer – hier verhallt ihr Tönen.

 

Der letzte Ton, vom Tode angeschlagen,

Rührt schon die Schwingen – und er sei kein Stöhnen!

Wird auch kein Kranz die stille Stirne krönen,

Wird all mein Singen auch der Wind verjagen.

 

Auch ich war eine Welt im Kreis der Welten;

Was ich gelebt, es wird doch ewig leben,

Was ich gestrebt, es muß doch ewig gelten.

 

Mein Schwererrungnes werden andre erben,

Mein kleines Gut darf ich zum Ganzen geben,

Daß schönres Leben sprieße aus dem Sterben.

 

 

 

Ludwig Pfau                               Dem greisen Uhland

1821 -  1894

„Ergehst du dich im Abendlicht –

Das ist die Zeit der Dichterwonne –

So wende stets dein Angesicht

Zum Glanze der gesunknen Sonne.“

                                       Uhland.

 

Zur stillen Feier deiner Dichterstunde

Laß mich im Glanz der Sonnenrüste kommen;

Schon ist der Himmel wonnefarb entglommen,

Und Lichtgebilde wallen in der Runde.

 

Aus goldnen Äthers unermessnem Grunde

Kommt sel’ge Zukunft siegreich hergeschwommen;

Dies hohe Lied, kein Ohr hat es vernommen,

Doch solche Glut braucht nicht des Wortes Kunde.

 

So lodert dir ein Lichtheer stummer Gluten,

Die deines Liedes Flammen hinterließen,

In tausend Herzen, dir nicht zu vermuten.

 

In des Sonetts kristallne Schale schließen

Laß mich sie all, die schönen Liebesfluten,

Und dir aufs Haupt als Abendglorie gießen.

 

 

 

 

Ludwig Pfau                               Dichterseele

1821 -  1894

Die Dichterseele gleichet einem Kinde,

Deß Mutter starb, da es zur Welt gekommen;

Nun hat die Not es an die Brust genommen,

Ach! eine karge Amme, eine blinde.

 

Da weint das Kind: daß es die Mutter finde,

Streckt es die Ärmchen aus so schmerzbeklommen!

Doch nachts, wenn alles schläft und nur die frommen

Weltaugen wachen, naht der Genius linde.

 

Der hält das Kind hoch in des Himmels Prangen;

Da beugt die große Mutter mild sich nieder

Und küßt es zärtlich auf die bleichen Wangen.

 

O süßes Träumen, seliges Umfangen!

Da lallt das Kind die wunderbaren Lieder

Und bleibt zuletzt am Hals der Mutter hangen.

 

 

 

 

Ludwig Pfau                               Ohne Ideal

1821 -  1894

Der wandrer sinnt, wohin den Schritt er richte,

Das Herz verstummt, weiß nicht wofür es schlage;

Kein Jubel bebt in ihm und keine Klage,

Sein Glauben und sein Hoffen ward zunichte.

 

Wo eine Heimat sich die Sehnsucht dichte,

Auf jeder Lippe steht die stille Frage;

In jedem Aug’ der Durst nach einem Tage,

Der diese Nacht mit seiner Klarheit lichte.

 

So brütet Schwüle auf des Lebens Wogen,

wenn eine alte Zeit hinabgegangen

Und noch die neue nicht heraufgezogen.

 

Wann wirst du schwinden, ahnungsvolles Bangen?

Man sieht ja längst am dunkeln Himmelsbogen

Der neuen Sonne erste Strahlen prangen.

 

 

 

 

Ludwig Pfau                               Kampf

1821 -  1894

Oft sprichts in mir – und meine Glieder schauern -:

O magst du dich in alle Tiefen wagen,

Und magst du, Thor, in alle Fernen jagen,

Dein Feld umgrenzen doch die Kirchhofmauern.

 

Du ringst und ringst! wie lange wird es dauern?

Dann werden sie dich stumm von dannen tragen!

Und was dann weiter? – magst die Toten fragen!

Und meines Lebens beste Kräfte trauern.

 

Soll ich mit treuem Künstlermut vergebens

An meiner eignen Seele liebend bilden

Und nie mein Werk mit höhrer Kraft vollenden?

 

Da möcht’ ich oft vom Gipfel alles Strebens

In des Genusses Wogen, in die wilden,

Mich häuptlings stürzen, stille zu verenden.

 

 

 

Ludwig Pfau                               Beruhigung

1821 -  1894

Du schöne Welt! du sänftigst meine Mühen,

Bis dir mein Herz wie eine Harfe klinget;

Ich fühle, ein gewalt’ger Pulsschlag dringet

Durch all die Leben, die im Schoß dir glühen.

 

Und in dem reichen Keimen, Singen, Sprühen

Kein Strahl, kein Ton umsonst die Flügel schwinget;

Drum, was auch deine hohe Ordnung bringet,

Still will ich dir wie eine Blume blühen.

 

Du läßt auch mich in dem lebend’gen Schwarme

Der Wesen all an deiner Schöpfung bauen;

Lind weht um mich dein Hauch, der segenswarme.

 

Dir leg’ ich mich mit kindlichem Vertrauen,

O Welt, du große Mutter! in die Arme:

Laß deinen ew’gen Himmel ob mir blauen.

 

 

 

 

Ludwig Pfau                               Vater und Mutter

1821 -  1894

Des Menschen Mutter ist Natur, die milde,

Sein rauher Pflegevater ist der Staat.

Die Mutter giebt dem Kinde Kuß und Rat,

Der Vater waffnet es mit Schwert und Schilde.

 

Er reißt das Kind hinweg, zu Kampf und That,

Vom Mutterbusen und vom Heimgefilde;

Es wandert, mit dem teuern Mutterbilde

In tiefer Brust, den fremden Dornenpfad.

 

Der Vater treibt es fort mit wildem Jagen,

Die Mutter sucht mit Rufen und mit Klagen

Ihr Kind auf allen Wegen ruhelos.

 

Ach! endlich naht es – wie gebleicht vom Harme!

Sie öffnet liebend ihm die treuen Arme –

Da sinkt es tot der Mutter in den Schoß.

 

 

 

 

Ludwig Pfau                               Das Paradies

1821 -  1894

Ihr sagt, das Paradies sei euch verloren,

Und sucht und sucht auf weitem Erdenrunde;

Vom schönen Lande wird euch keine Kunde,

Da glaubt ihr euch mit einem Fluch geboren.

 

Fürwahr! ihr gleicht dem unverständ’gen Thoren,

Der einen Demant, unbeglückt vom Funde,

Den Kindern gab und dann zur Geisterstunde

Nach Schätzen wühlte in der erde Poren.

 

Wo schweift und sucht ihr denn, ihr Ewigblinden?

O wollt doch nur in euren Busen greifen,

Hier oder nirgends müsset ihr es finden.

 

Tragt ihr den Himmel nicht im eignen Herzen,

Mögt ihr zum Himmel aller Himmel schweifen,

Auch dort begrüßen euch die alten Schmerzen.

 

 

 

 

Ludwig Pfau                               Glaube

1821 -  1894

Du Glaube wohnest nicht in Kirchenhallen,

Und an Altären bist du nie gediehen;

Du schüchtern Kind willst dem Gedräng entfliehen

Und unbelauscht dein einsam Sprüchlein lallen.

 

Du suchst die Wälder, wo die Wasser fallen,

Du liebst die Himmel, wo die Sterne ziehen;

Die Brust nur, der des Zweifels Kraft verliehen,

Magst du, ein stiller Friedenshauch, durchwallen.

 

Wo Priester drohn und Gift und Galle sprühen,

Da stehst du traurig an des Tempels Pforte;

Da nahst du nicht, wo feige Knechte beben.

 

Wo freie Seelen für die Wahrheit glühen,

Schwebst du daher und sagst mit festem Worte:

Wer Ew’gem lebt, der wird auch ewig leben.

 

 

 

Ludwig Pfau                               Kirche

1821 -  1894

Es webt und rauscht ein uralt heil’ger Hain,

Die Kräfte steigen schaffend auf und nieder,

Die ew’gen Wasser stürzen aus dem Stein,

Und aus den Lüften tönen Frühlingslieder.

 

Die Blumen sprießen schön und farbenrein,

Die Wipfel breiten aus ihr Laubgefieder –

Doch immer dringt der Priester Rotte ein

Und fällt das freie Gottesleben wieder.

 

Sie fügen aus den Bäumen sich ein Haus

Und jagen Liebe, Lenz und Licht hinaus:

Hier muß der Gott nach ihrem Willen leben!

 

Dem Geist, der sich sein Wohnhaus selber schafft,

Erbauen sie die enge Kerkerhaft –

Ein Totenhaus, dem Leben Raum zu geben!

 

 

 

 

Ludwig Pfau                               Priester

1821 -  1894

Wer sind die Priester, so die Welt veredeln?

Sind’s die Geschornen, die den Segen geben,

Die Hände fromm, die Augen frömmer heben

Und, wie entmannt, in Weiberröcken wedeln?

 

Sind’s die Gescheitelten mit Muckerschädeln,

Die Demut pred’gen und in Hochmut leben? –

wenn das die Priester sind, so kann man eben

Auch ein Kamel in eine Nadel fädeln.

 

Nein! die getrunken vom Erlösungstranke

Am Quell der Freiheit, die, ein Sterngedanke,

Hell durch der Völker dunkeln Himmel zieh’n.

 

Sie gehn verlassen und verfolgt durchs Leben,

Das ew’ge Licht der blinden Schar zu geben,

Und Menschheit heißt der Tempel, drin sie knie’n.

 

 

 

 

Ludwig Pfau                               An die Schwarzen

1821 -  1894

Es braust die zeit heran auf ehrnen Speichen,

Da wankt und zittert euer falscher Thron;

Die holde Liebe floh euch lange schon,

Kein Brot des Lebens habt ihr mehr zu reichen.

 

Was soll uns euer blut’ges Kreuzeszeichen?

In Gottes Lichtwelt ragt es wie ein Hohn:

Fort! sät nicht länger in das korn den Mohn

Und euer Tollkraut unter unsre Eichen!

 

Glaubt, eurer Märchen leere Trostgesänge

Und eurer Worte hohle Klapperklänge,

Die können keines Menschen Herz mehr letzen.

 

Zum Geiste schrieen wir, zum höchsten Horte –

Und ob ihr drohend stündet an der Pforte:

Er will die Wahrheit in den Tempel setzen.